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Sonntag, 1. Oktober 2017, 13:01

Badischer Wasserkran - Der Dritte

Als dritte badische Wasserkranbauart sollte nach den beiden bereits hier im Forum vorgestellten Varianten eine Ausführung mit ausziehbarem Ausleger realisiert werden. Hier jedoch zuerst einige Bemerkungen zum Vorbild.

Nachteil aller Wasserkrankonstruktionen mit festem Ausleger war, dass der Lokführer seine Maschine exakt so zum Stehen bringen musste, dass der Ausleger direkt über Wasserkastenschacht geschwenkt werden konnte. Bei den bad. Schnellzuglokomotiven waren die Einfüllschächte quer zu Fahrtrichtung angeordnet, die Öffnung hatte eine lichte Weite von 1,1 m. Bei den Standardlängen der Ausleger ergab sich eine Anfahrlänge von 3,5 m, innerhalb der der Lokführer seine Maschine positionieren musste. Dies war wohl durchaus machbar, trotzdem machte man sich Gedanken, wie die Wasserkrankonstruktion geändert werden konnte, um insbesondere Maschinen mit kleineren Wasserkastenöffnungen ohne großen Rangieraufwand speisen zu können.

Während in Preussen der Gelenkwasserkran favorisiert wurde, kamen in Baden Wasserkräne mit ausziehbarem Ausleger zum Einsatz. Dabei wurden vielfach bestehende Wasserkräne umgebaut (Wasserkran 3Seenbahn), es gab aber auch Neukonstruktionen. Das Prinzip war relativ einfach, der vordere Krümmer am Auszugsrohr wurde abgetrennt und es wurde ein zweites Rohr mit grösserem Durchmesser auf das alte Rohr geschoben. Die Abstützung wurde modifiziert, das neue, bewegliche Rohr wurde auf der Abstützung geführt. Der Vorteil dieser Konstruktion lag auf der Hand. Wasserkräne mit Auszugsrohr waren einfacher zu fertigen, die Gelenke der Gelenkwasserkräne mussten aufwendig abgestützt werden, wenn man sie auf Dauer dicht halten wollte.

Bei dem hier vorgestellten Modell handelt es sich um eine Nachbildung einer Neukonstruktion von der Fa. Bopp & Reuther in Mannheim. Der Ausleger konnte um 1,5 m ausgezogen werden. Bei einigen Kränen wurde unten oder oben zusätzliche Zwischenflanschstücke eingesetzt um zusätzliche Höhe zu gewinnen.


- Fortsetzung folgt

Wolfgang
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Sonntag, 1. Oktober 2017, 19:08

Teil 2

Erster Schritt zur Realisierung des Modells war die 3D-Modellierung des Wasserkrans. Komplexe Bauteile wie die beiden Krümmer, der Zwischenflansch und einige Kleinteile wurden über einen Dienstleister in Wachs geplottet und anschließend in Bronze gegossen. Diese Bauteile sind in dem 3D-Modell braun eingefärbt. Die beiden Flansche sind an den jeweils benachbarten Bauteilen als Doppelflansch realisiert. Der 95°-Krümmer enthält bereits die beiden Knotenbleche für die Abstützung mit Positionierungshilfen für die Profile der Abstützung und Bohrungen für die Nietverbindungen.

Der Ausleger besteht aus dem vertikalen Standrohr, das beidseitig mit jeweils vier Versteifungsblechen verstärkt ist. Außerdem gibt es zwei durchgehende, spiegelbildlich angeordnete Versteifungen. Zur Positionierung dieser Bleche wurde das Standrohr an beiden Enden geschlitzt, so dass die Versteifungsbleche positionsgerecht in diese eingesetzt werden konnten. Am oberen Krümmerausgang wird das geneigte feste Auszugsrohr angelötet. Beide Rohre haben einen Außendurchmesser von 7 mm und eine Wandstärke von 0,5 mm. Den unteren Abschluss bildet der gerippte Zwischenflansch mit den beiden Lagern für den Handhebel zum Schwenken des Krans und das Tragwerk für die Abstützung. Die mit Innenbohrungen ausgeführten Krümmer sowie ein durchgehendes eingelötetes Messingrohr erlauben später den Anschluss an eine Wasserversorgung, so dass mit dem Kran tatsächlich Wasser gespeist werden kann.


- Fortsetzung folgt

Wolfgang
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Mittwoch, 4. Oktober 2017, 19:29

Teil 3

Die Abstützung für das Auszugsrohr besteht aus zwei Dreieckkonstruktionen aus Winkelprofilen, die an den Knotenblechen sowie am Zwischenflansch befestigt sind. Hier war es wichtig, dass die oberen Profile exakt parallel zum Rohr angeordnet werden, damit sich später das Auszugsrohr ohne Klemmen verschieben lässt. Außerdem war es hilfreich, beide Profile mit einem Distanzstück zu einem Doppelprofil zu verlöten und dieses mit geringem Übermaß zwischen die beiden Knotenbleche einzusetzen.

Die beiden unteren Profile werden über Distanzhülsen und Stehbolzen zu einer Einheit verlötet und mit dem Zwischenflansch verschraubt. Am oberen Ende werden Sie mit den parallel zum Auszugsrohr verlaufenden Profilen verlötet. Am unteren Ende nahe der Abstützung am Zwischenflansch sind die beiden Lagerböcke für die Haspel zur Betätigung des Auszugs angeordnet.

Zur Versteifung dienen zwei weitere leicht abgekröpfte Winkelprofile, die etwa mittig an den unteren Streben mit Knotenblechen und oben am Krümmer befestigt werden. Die Profile werden zuerst nur auf der einen Seite positioniert und verlötet, dann von der anderen Seite gebohrt. Anschließend wird das zweite Profil angelötet und wieder von der Rückseite durchgebohrt. Nun können die Nieten eingesetzt und verlötet werden. Lagerböcke, Kurbel und Knotenbleche wurden ebenfalls als Gussteile gefertigt.

Fuß und Spindelstock sind baugleich zu dem bereits vorgestellten Wasserkran DN200 mit festem Ausleger und wurden zusammen mit diesem als einfache Drehteile bereits früher mehrfach angefertigt.


Fortsetzung folgt

Wolfgang
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4

Mittwoch, 4. Oktober 2017, 21:00

Der Wahnsinn!

Hallo Wolfgang,

da ich ja nun schon zwei verschiedene Bausätze von Dir habe und deren Qualität auch von direkter Anschauung beurteilen kann - sie ist über jeden Zweifel erhaben - bin ich wieder fast sprachlos von dem was ich hier sehe. Ganz großes Kino!!! So etwas bekommen die professionellen Hersteller manchmal nicht so gut hin...
Beste Grüße Holger Danz

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5

Donnerstag, 5. Oktober 2017, 17:46

Hallo Holger,

vielen Dank für Dein dickes Lob.

Im Gegensatz zu den professionellen Herstellern habe ich nicht den wirtschaftlichen Druck, dass sich ein Projekt rechnen muss. Bei mir muss das Ergebnis mit meinen
Vorstellungen übereinstimmen, egal ob dafür 20, 50 oder 100 Stunden notwendig waren. Nichts ist unbefriedigender als beim Betrachten des geschaffenen Produkts das Gefühl zu haben,
dass man sich nicht die erforderliche Zeit genommen hat.

Wolfgang

6

Donnerstag, 5. Oktober 2017, 18:17

Hallo Wolfgang,
der steht in Seebruck.
Auszugfunktion wurde aber nicht realisiert.
Grüße
Herbert

7

Donnerstag, 5. Oktober 2017, 19:06

Hallo Herbert,

der Wasserkran in Seebruck ist ein umgebauter Kran "Modell 1866", siehe Bild unten. Der Antrieb zum Verstellen des Auzugrohrs fehlt dabei.
Der Wasserkran stand meines Wissens früher in Konstanz. Mittlerweile ist man im Besitz eines Auslegers mit komplettem Kurbeltrieb und
man arbeitet daran, diesen Wasserkran wieder in eine näher am Vorbild orientierte Form umzubauen.

Wolfgang
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8

Donnerstag, 5. Oktober 2017, 19:18

Teil 4

Das verschiebbare Auszugsrohr besteht aus einem Messingrohr mit Durchmesser 8 mm und einem 85° - Krümmer. Über zwei Rohrschellen wird ein T-Profil am Rohr befestigt, das später auf der Abstützung gleitet. Die vordere Rohrschelle ist Bestandteil des Krümmers, die hintere wurde als separates Teil zusammen mit den Lagern für die Gleitrollen und der Befestigungslasche für das Drahtseil als gemeinsames Gussteil realisiert.

Zur Betätigung des Auszugs dient ein Gummifaden mit einem Durchmesser von 0,4 mm, der am hinteren Ende des verschiebbaren Auszugsrohrs befestigt ist. Versuche mit einem Drahtseil vergleichbaren Stärke waren leider nicht zufriedenstellend. Das Seil war zu steif, um eng anliegend über die kleinen Rollen geführt werden zu können. Der Gummifaden wird über die vordere Umlenkrolle geführt, von da mehrfach über die Haspel mit Kurbeltrieb und eine weitere Umlenkrolle zwischen den beiden Knotenblechen wieder zurück zum Auszugsrohr. Ein weitere Vorteil des Gummifadens aus dem Schmuckzubehör ist, das er unter einer geringen Vorspannung montiert werden kann und somit immer gespannt ist.

Verschiebt man das Auszugsrohr, dann dreht sich auch die Haspel mit der Kurbel. Der maximal mögliche Auszug beträgt knapp 50 mm. Ein Vertauschen von Ursache und Wirkung ist leider nicht möglich, dazu ist die Reibung zwischen festem und beweglichem Auszugsrohr zu groß.
Ein erster (trockener) Einsatz des Wasserkrans erfolgte bereits. Die Wasservorräte der VIc 947 konnten erfolgreich ergänzt werden. Die „Wassertaufe“ steht noch aus.


Wolfgang
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9

Donnerstag, 5. Oktober 2017, 20:28

Teil 4
...
Verschiebt man das Auszugsrohr, dann dreht sich auch die Haspel mit der Kurbel. Der maximal mögliche Auszug beträgt knapp 50 mm. Ein Vertauschen von Ursache und Wirkung ist leider nicht möglich, dazu ist die Reibung zwischen festem und beweglichem Auszugsrohr zu groß.
...

Wolfgang


Hallo Wolfgang,

vermutlich war das Seil einmal um die Kurbeltrommel geschlungen, bei deinem Gummiseil könnte das wohl auch helfen?
Wäre doch schade, wenn der Heizer nicht kurbeln könnte ;-)

Gruß
Michael
Gruß aus Lichtenstein (Württ.)

10

Donnerstag, 5. Oktober 2017, 21:42

Hallo Michael,

die eingedrehten Rillen ermöglichten locker 10 Umschlingungen.

Wolfgang
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Beruf: Freiberuflicher Projektmanager

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11

Freitag, 6. Oktober 2017, 08:49

Top!

Hallo Wolfgang,

ich kann mich nur wiederholen, das ist wirklich absolute Klasse! Hoffentlich kann ich mir das fertige Modell mal irgendwo anschauen...
Beste Grüße Holger Danz

Zu meinem Avatar: Mein "Tigerkind" beim Kinderfest - im Hintergrund ihr Papi :-)

12

Freitag, 6. Oktober 2017, 17:40

Hallo Michael,

die eingedrehten Rillen ermöglichten locker 10 Umschlingungen.

Wolfgang


Hallo Wolfgang,

eine Umschlingung dürfte schon reichen, beim Kurbeln muss die Seilschlinge allerdings seitlich wandern können damit das Seil sich nicht selbst aufreibt. Bei 10 Rillen wären über 2m Seilweg = Rohrbewegung möglich.

Gruß
Michael
Gruß aus Lichtenstein (Württ.)

13

Freitag, 6. Oktober 2017, 19:56

Hallo Michael, da hast Du natürlich recht. Den erforderlichen seitlichen Spielraum habe ich in meiner Abschätzung nicht bedacht.

Der Durchmesser der Haspel ist mit 105 mm angegeben, den Seildurchmesser schätze ich auf 8 mm. Für den Auszug von 1,5 m benötigt man also
etwas mehr als 4 Umdrehungen, somit wären bis zu 6 Umschlingungen möglich. Da ich keine Nachspannmöglichkeit erkennen kann, scheint mir eine Umschlingung grenzwertig. Das kannst Du sicher besser abschätzen, da das ja Dein
Metier ist.

Habe mir deshalb noch einmal das 3. Bild in Teil 3 vergrößert und es scheint tatsächlich nur eine Umschlingung zu sein!

Wolfgang

14

Freitag, 6. Oktober 2017, 20:50

Hallo Wolfgang,

hab Dir die Nachspannschraube markiert.

Gruß
Michael
»Michael Staiger« hat folgendes Bild angehängt:
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Gruß aus Lichtenstein (Württ.)

15

Montag, 9. Oktober 2017, 10:38

Sen-sa-tio-nell!

Modellbau der absoluten Spitzenklasse ist das!
Von der Vorbildauswahl bis zur Umsetzung.
Besser geht's nicht.

Drei mal Chapeau!
Thomas

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