Es ist bereits einige Jahre her, da suchte „Krokodil“ in diesem Forum nach Unterlagen über einen Kesselwagen der Rax-Werke mit der Bezeichnung 4K469.
Davon hatte ich noch nie etwas gehört. Als ich dann aber Bilder sah, war’s um mich geschehen. Ich nahm Kontakt mit „Krokodil“ auf,
der im richtigen Leben Paul heißt, und wir beschlossen sehr schnell, diesen Waggon gemeinsam zu verwirklichen.
Der 4K469 wurde Ende der 40er-Jahre von den Rax-Werken in Wiener Neustadt gebaut. Die Rax-Werke hatten den allergrößten Teil der Wannentender
für die deutschen Kriegslokomotiven gebaut und verfügten, trotz nahezu völliger Zerstörung des Werkes, über größere Mengen an Bauteilen.
Daher basiert dieser Kesselwagen auf den Überresten der Wannentender-Produktion, genügend, um 129 Exemplare zu bauen.
Unterlagen darüber zu bekommen, war gar nicht so einfach. Paul hat via Internet viele Kontakte geknüpft und es geschafft, aus Österreich
eine Aufrisszeichnung des Prototyps zu organisieren. Aber wie ich schon an anderer Stelle schrieb: Zeichnungen sind das eine, Fotos das andere.
Im Internet findet man Bilder, die diesen Waggontyp mit einigen Umbauten der Schwedischen Staatsbahn zeigen.
Über die Mitgliedschaft in einem österreichischen Eisenbahnforum gelangten wir dann aber an dort veröffentlichte Original-Vorbildfotos
zweier Waggons aus dem Stadium unmittelbar vor der Verschrottung. Viele Details wurden dadurch klarer. Für noch mehr Klarheit sorgte dann Stefan Carstens,
der mir zwei Fotos aus seinem Archiv zuschickte (mit der Erlaubnis, eines davon hier zu zeigen), die zwei weitere unterschiedliche Waggons der Epoche 3
auf deutschen Gleisen zeigten.
Damit standen nun vier verschiedene Beschriftungsvarianten zur Auswahl, alle eingestellt bei der ÖBB:
- Österreichische Mineralölverwaltung, Wien
- J.P. Gartner OHG, Wien
- Technol GmbH, Wien
- VTG, Hamburg (!)
Da alle meine anderen Kesselwagen der VTG zugeordnet sind, entschied ich mich beim Bau des ersten Prototyps natürlich auch dafür.
Nun entdeckten wir aber noch weitere Unterschiede an den Waggons: die Bremsanlage. Ein Teil der Waggons war mit der bekannten HiK-Bremse ausgerüstet,
der andere mit der schweizerischen Oerlikon-Bremse. Dabei unterschied sich die Anordnung und Betätigung des Steuerventils, die reine Bremsmechanik
blieb davon unberührt.
Der VTG-Waggon besaß die Oerlikon-Bremse, was uns sehr entgegenkam, weil diese Ausführung in unseren Augen die optisch interessantere war –
sie verfügt am Kessel über seitliche „Ausleger“, auf denen die Lastwechselschalter sitzen.
Nun zum Bau.
Tragendes Element im wahrsten Sinne des Wortes ist der Kessel. Da der einzige uns bekannte Lieferant von passenden Rohren und Kesselböden
(Bruno Hartmann Modell- und Maschinenbau) seinen Betrieb eingestellt hatte, mussten wir selbst tätig werden. Industriell vorgefertigte Ronden aus Stahl
wurden auf den korrekten Durchmesser abgedreht und ein Kesselmantel gebogen. Nun stellte sich heraus, dass bei passender Kessel-Gesamtlänge
die Ronden zu stark gewölbt und daher der Kesselmantel zu kurz war. Daher konnten Drehgestelle und Kopfstücke nicht montiert werden.
Es genügte aber, die Anordnung von Bremsanlage, Auslaufrohr etc. festzulegen.
Nach vorerst vergeblichen Bemühungen, einen genau passenden Kessel aus Messing o.ä. zu bekommen, dachten wir wieder an den guten, alten, dicken
Märklin Kunststoffkessel des Zweiachsers. Der musste zwar etwas gekürzt werden, und ihm fehlten rund 2 mm Durchmesser, aber egal – wir kamen wieder
weiter mit unserem Projekt.
Parallel mussten die Ätzteile der Kopfstücke angepasst werden. Und wir sahen einen durchgehenden Unterzug vor, um im Betrieb entstehende Zugkräfte
besser aufnehmen zu können. Das hatte sich aber später durch entsprechende Verstärkungen der Kessel-Klebenaht wieder erledigt.
Der Kessel entstand in gewohnter Manier – zweimal durchsägen, um auf die passende Länge zu kommen, und wieder zusammenkleben.
Anschließend habe ich ringsum einige Nuten quer zur Klebenaht gefräst, in die Nuten rechts und links der Naht je ein Loch gebohrt und mit 2K-Kleber
mehrere Heftklammern eingeklebt. Damit sollte eine ausreichend feste Verbindung gegeben sein.
Da durch die Fotos genaue Vorlagen für die Beschriftung gegeben waren, konnten wir auch schon die Aufreiber in Auftrag geben und auf dem lackierten
Kessel anbringen.
Gleichzeitig entstanden aus diversen Guss- und Ätzteilen die Teile der Bremsmechanik, die unter den Kessel montiert werden sowie das Tankauslaufrohr.
Eine weitere Spezialität dieses Waggons ist die Anordnung und Betätigung der Handbremse. Im Gegensatz zu üblichen Gepflogenheiten sitzt die Kurbel
am Kesselboden. Das bedeutet, dass die Drehbewegung in einem Winkeltrieb, der in einem geschlossenen Gehäuse sitzt, um 90° umgelenkt werden muss.
Da ich Wert auf soweit wie möglich vorbildgerechte Funktion lege, musste ich mir etwas einfallen lassen. An Platz standen mir im Modell ca. 4 x 4 x 4 mm
zur Verfügung. Passende Kegelzahnräder habe ich nicht finden können.
Paul gab mir den Tipp, es mal mit Zahnscheiben zu versuchen. Also zeichnete ich eine Zahnscheibe – 7 Zähne bei 3 mm Durchmesser und eine Lochscheibe
mit 8 Löchern und 3,5 mm Durchmesser. Die Teile wurden aus 0,3 mm Neusilber geätzt – und funktionieren tatsächlich! Allerdings war es eine elende Fummelei,
sie passgenau im Gehäuse unterzubringen. Und ob mir das mehr als einmal gelingt, weiß ich auch nicht…
Jedenfalls kann damit die Kraft von der Kurbel bis zur Kolbenstange des Bremszylinders wie beim Vorbild auf die Bremshebel übertragen werden.
Eine neue Herausforderung war das Oerlikon Steuerventil. Alle Versuche, das bei irgendeinem Spur-1-Produzenten als Gussteil zu bekommen, schlugen fehl.
Das gab es einfach nicht. Wir mussten also wieder selber ran. Im Netz fanden wir Bilder und sogar ein Pdf mit bemaßten Zeichnungen und Angaben zum Anschluss
der verschiedenen Leitungen – ein Glückstreffer. Allerdings war die Umsetzung weit schwieriger als gedacht. Gedanken, es in 3D konstruieren zu lassen,
zerschlugen sich aufgrund seiner Komplexität und der damit zu erwartenden Kosten. Nach Wochen der Überlegungen und verworfener Ideen habe ich einfach mal
begonnen zu basteln. Und aus Unterlegscheiben, 0,5 mm Draht, Plastikrohr, Schraubendummies und 2K-Kleber entstand tatsächlich etwas, was wie ein Oerlikon Güterwagen-
Steuerventil aussieht.
Als alle Bauteile soweit fertig und lackiert waren, ging es an die Endmontage.
Den Bau der Drehgestelle hatte ich ja schon vor rund einer Woche hier thematisiert. Eine kleine Schwierigkeit bei der Endmontage war die Verbindung der
Bremshebel am Wagenboden mit denen der Drehgestelle, da die Verschraubung der Zugstangen an den Bremshebeln ganz genau unter den Drehgestellrahmen liegt
und damit für Finger oder Werkzeuge jeglicher Art unerreichbar ist. Ich habe daher diese Zugstangen als Teleskop ausgeführt – am Drehgestell als 1 mm Rohr,
an den großen Bremshebeln als 0,7 mm Rundmaterial. Bei der Montage werden die Drehgestelle von den Kopfenden her herangeführt, sodass sich beide Teile
ineinander schieben. Wenn man diesen Einschub dann noch z.B. mit einem Tropfen Kleber sichert – habe ich aber nicht –, hat man eine durchgehend funktionale
Verbindung von Handbremskurbel zu den Bremsbacken.
Allerdings läuft der Kesselwagen dann nur noch geradeaus oder auf Vorbildradien.
Nun ist der Prototyp erst mal fertig – bis auf eine Kleinigkeit, die mir beim Betrachten der Fotos auffiel: Ich habe die Zettelkästen vergessen…
Unser Plan ist nun, neue Kessel aus gerolltem Messingblech mit 3D-gedruckten Kesselböden herzustellen. Das hätte den Vorteil, dass alle dort notwendigen
Bohrungen von Anfang an passgenau sitzen.
Das war ein kurzer Überblick über eine lange Zeit Bastelspaß (und bisweilen auch -frust ;-)
Beste Grüße aus Solingen-Ohligs!
Thomas